Diese Serie entführt uns in der Zukunft in die Welt der Pharmakologie – ein, wie ich finde, viel zu unterbewertetes Feld der Wissenschaft. Bedenkt man, dass die durchschnittliche Lebenserwartung Anfang des 20. Jahrhunderts, also zwischen 1900 und 1920, bei unter 50 Jahren lag, so liegt sie aktuell bei etwa 80 Jahren.
Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich unsere Medizin und vor allem die Pharmakologie weiterentwickelt haben. Ich möchte nur an die Errungenschaft von Alexander Fleming und die Entdeckung des Penicillins erinnern. Davor konnte eine kalte Winternacht mit der daraus resultierenden Lungenentzündung durchaus der letzte Spaziergang des Lebens sein, da es kaum Möglichkeiten gab, solche und andere Infektionen zu heilen. Umso erstaunlicher ist es, wie rasant sich die Medikamentenforschung in den letzten 100 Jahren entwickelt hat.
Es gibt Medikamente, denen fast jede Pflegefachkraft in der Praxis irgendwann begegnen wird. Ramipril gehört definitiv dazu – egal, ob man in der Arztpraxis, auf einer geriatrischen Station oder in der ambulanten Pflege arbeitet. Sogar wenn man abseits des Berufs die eigene Großmutter fragt: Der ACE-Hemmer ist eine feste Größe in der Behandlung von Bluthochdruck und Herzinsuffizienz. Doch wie funktioniert er eigentlich? Ist Ramipril ein Allheilmittel für Herzpatienten oder gibt es auch Dinge, auf die Pflegekräfte besonders achten sollten? Wir machen eine kleine Rundreise in die Welt der Herzmedikamente.
Das Herz arbeitet ununterbrochen – alles andere wäre mit dem Leben kaum vereinbar – und pumpt Blut durch den Körper, um unsere Organe mit Sauerstoff zu versorgen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland eine der häufigsten Todesursachen. Laut dem Deutschen Herzbericht – Update 2024 von der Deutschen Herzstiftung starben im Jahr 2022 insgesamt 216.944 Menschen in Deutschland an einer Herzerkrankung. Um den Betroffenen zu helfen, gibt es verschiedene Medikamentengruppen, die gezielt in die Regulation von Blutdruck, Herzleistung und Durchblutung eingreifen.
Dazu zählen vor allem folgende Gruppen: ACE-Hemmer (u.a. Ramipril), Betablocker, Diuretika, Kalziumkanalblocker und Herzglykoside. Ramipril gehört – wie bereits erwähnt – in die erste Gruppe, also die ACE-Hemmer, und ist in Deutschland eines der am häufigsten verordneten Medikamente gegen Bluthochdruck. Jupp, auch ich nehme es ein.
Aber was macht Ramipril nun eigentlich mit dem Körper? Der Wirkstoff greift an einer zentralen Stelle des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) ein – einem körpereigenen Kontrollmechanismus für den Blutdruck. Kompliziert ausgedrückt wird dabei das in den Nieren gebildete Enzym Renin freigesetzt. Renin spaltet in der Leber das dort gebildete Angiotensinogen in Angiotensin I, welches daraufhin hauptsächlich in den Endothelzellen der Kapillaren durch das Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) in Angiotensin II umgewandelt wird. Einfach gesagt blockiert Ramipril die Umwandlung eines biologisch inaktiven Hormons in ein biologisch wirksames Hormon.
Warum ist das wichtig? Weil Angiotensin II ein echtes Teufelszeug ist, wenn es darum geht, den Blutdruck zu erhöhen. Es verengt die Gefäße, erhöht den Widerstand in den Arterien und zwingt das Herz zu stärkerer Pumpleistung. Wird dieses Hormon weniger gebildet, entspannen sich erwartungsgemäß die Blutgefäße und der Blutdruck sinkt. Genau das möchte man bewirken.
Ramipril hat jedoch noch ein paar nette Nebeneffekte. Neben der Blutdrucksenkung hat der Wirkstoff auch schützende Effekte auf die Nieren und das Herz. Bereits 1999 zeigte die HOPE-Studie, dass Ramipril das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle um bis zu 22 % senken kann. Ramipril kann also „lebensrettend“ sein – und weder ein Herzinfarkt noch ein Schlaganfall sind angenehme Erkrankungen.
Wer bekommt nun Ramipril verschrieben? Die Hauptindikationen sind arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Herzinsuffizienz – insbesondere nach einem Herzinfarkt -, diabetische Nephropathie (also als Nierenschutz bei Diabetes mellitus) und für die Sekundärprävention nach Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Für ältere Patienten oder Menschen mit Diabetes mellitus ist Ramipril daher durchaus eine wichtige Therapiesäule.
Natürlich gibt es auch Nebenwirkungen – welches Medikament ist schon frei davon? Gerade für Pflegekräfte, egal ob in der häuslichen oder stationären Langzeitpflege, ist es wichtig, diese zu kennen. Die bekannteste und für den Patienten oft nervigste Nebenwirkung ist ein trockener Reizhusten.
Der Grund dafür ist eine erhöhte Konzentration von Bradykinin – ein Hormon, das Histamin ähnelt und durch ACE-Hemmer weniger abgebaut wird. Bradykinin reizt die Hustenrezeptoren in den Atemwegen und führt so zu diesem unangenehmen Symptom. Weitere Nebenwirkungen, die Pflegekräfte im Blick haben sollten, sind Hypotonie (niedriger Blutdruck), insbesondere beim Einstellen der Therapie.
Das sogenannte „First-Dose-Phänomen“ kann gerade bei älteren Personen zu starken Blutdruckabfällen führen – daher ist besondere Vorsicht beim Aufstehen geboten. Außer man möchte zwangsläufig ein Sturzprotokoll ausfüllen. Auch eine Hyperkaliämie, also zu viel Kalium im Blut, kann auftreten, da ACE-Hemmer den Kaliumhaushalt beeinflussen. Regelmäßige Blutkontrollen beim Hausarzt sind daher sinnvoll. Eine seltene, aber potenziell gefährliche Nebenwirkung sind Angioödeme also Schwellungen im Gesicht und ggf. Rachenraum, die in manchen Fällen einen medizinischen Notfall darstellen können.
Pflegekräfte spielen eine entscheidende, aber oft unterschätzte Rolle in der sicheren Anwendung von Medikamenten. Tablettenstellen allein reicht für mich nicht aus. Sinnvoll ist für eine Pflegekraft im Umgang mit Patienten, die Ramipril einnehmen: Regelmäßige Blutdruckkontrollen (insbesondere zu Beginn der Therapie), eine wiederholte und verständliche Aufklärung der Patienten – gerade ältere Patienten profitieren davon, da es die Therapietreue verbessern kann -, sowie die Beobachtung des Flüssigkeitshaushalts. ACE-Hemmer wirken leider besonders stark, wenn der Patient dehydriert ist – also ist ausreichendes Trinken wichtig.
Zudem sollten Pflegekräfte Nebenwirkungen frühzeitig erkennen können, insbesondere den trockenen Husten, der oft ein Grund für Therapieabbrüche ist. Für solche Fälle gibt es Alternativen, wie z. B. Valsartan.
Ramipril ist also mehr als nur ein einfacher Blutdrucksenker – es bietet auch Herz- und Nierenschutz. Für Pflegekräfte ist es daher wichtig, den Wirkmechanismus zu verstehen, Nebenwirkungen im Blick zu behalten und eng mit den Patienten zusammenzuarbeiten, um eine optimale Therapie in Kooperation mit dem Hausarzt zu gewährleisten.
Im nächsten Teil dieser Reihe werde ich mich mit einer weiteren Klasse von Herzmedikamenten beschäftigen: den Betablockern. Also bleibt gerne dabei!
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