Neu Isenburg, Ein Artikel der Online-Ausgabe der „hessenschau.de“ vom Samstag, den 1. Februar 2025, hat mein Interesse geweckt. Hierbei war Alice Weidel, als Kanzlerkandidatin und Vorsitzende der AfD, auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg, Hessen und forderte laut Artikel, unter johlendem Applaus, einen deutschen Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trump lässt grüßen.
Die Kritik von Alice Weidel an der WHO spiegelt unter ihren Anhängern eine wachsende oder vielleicht schon lang anhaltende Skepsis gegenüber internationalen Institutionen wider. Doch was würde ein solcher Schritt aus rein medizinischer und pflegerischer Sicht eigentlich bedeuten, sprich: Abseits von meiner politischen Meinung oder der Bewertung der Personalie Alice Weidel im Allgemeinen? Ist die WHO eine „unfehlbare“ Institution oder wäre ein Austritt tatsächlich eine Verbesserung für Deutschland? Ich habe mir das Thema angeschaut und ziehe eine Bilanz.
Die WHO wurde 1948 mit dem Ziel gegründet, die weltweite Gesundheit zu verbessern und Epidemien zu bekämpfen. Es gibt durchaus Erfolge, die für sich sprechen: Die Ausrottung der Pocken wäre ohne das Zutun der WHO kaum denkbar gewesen, ebenso wenig wie die Eindämmung von Krankheiten wie Polio und Malaria. Sie bietet außerdem eine international anerkannte Plattform für den wissenschaftlichen Austausch und koordiniert Maßnahmen gegen globale Gesundheitsbedrohungen. Doch trotz dieser Errungenschaften gerät die Organisation immer wieder in die Kritik und das meiner Meinung nach zurecht.
Besonders während der COVID-19-Pandemie wurde eines deutlich: Dass die WHO nicht unfehlbar ist. Eine für mich damals schon absehbare, verspätete Einstufung von COVID-19 als Pandemie – wie ich mich daran erinnere, dass unser damaliger Gesundheitsminister Jens Spahn Anfang 2020 keinen Beginn einer Pandemie sah, stattdessen von guter Vorbereitung der Behörden und Gelassenheit sprach, während ich mit Chipskrümeln auf dem Bauch kopfschüttelnd auf meiner damaligen Couch saß. – Die absolut unkritische Übernahme chinesischer Informationen zu Beginn der Pandemie und teils widersprüchliche Empfehlungen zur Eindämmung haben nicht das Bild einer gut organisierten Institution gezeigt, sondern eher ein amateurhaftes Bild an die Welt gesendet.
Auch der zunehmende Einfluss von Pharmakonzernen in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften und politischen Akteuren wirft in den letzten Jahren vermehrt Fragen auf, inwieweit die WHO in Interessenskonflikten verstrickt ist. Diese Kritik ist daher in ihren Grundzügen berechtigt und zeigt Reformbedarf – aber rechtfertigt sie für mich wirklich einen Austritt?
Die Folgen eines Austritts aus der WHO wären durchaus auch für den Standort Deutschland weitreichend. Ohne die WHO würde Deutschland den Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten und internationalen Forschungsnetzwerken verlieren. Gerade in der Medizin und Pflege sind standardisierte Leitlinien essenziell – von Hygienerichtlinien in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bis hin zu Empfehlungen für die Medikamentenversorgung in Deutschland. Ohne diese Vorgaben und Handlungsempfehlungen müsste Deutschland eigene Standards setzen, was nicht nur ineffizient, sondern auch teuer wäre. Mal abgesehen davon traue ich der deutschen Bürokratie nicht über den Weg, und alleine die Umsetzung wäre vermutlich eine unlösbare Aufgabe.
Ein weiteres Problem könnte auch in Zukunft die Beschaffung von Impfstoffen und Medikamenten darstellen. Die WHO erleichtert durch ihre Struktur den weltweiten Zugang zu essenziellen – also lebensnotwendigen – Arzneimitteln, ein Vorteil, den ich gerade während der Corona-Pandemie zu schätzen gelernt habe.
Doch es gibt sie auch, die Argumente für eine kritischere Haltung gegenüber der WHO. Ein oft genannter Punkt ist die politische Einflussnahme einzelner Staaten, die dazu führen kann, dass Gesundheitskrisen nicht neutral, sondern aus geopolitischen Interessen heraus bewertet werden – letztlich auch die Frage die allen Schuldig bleibt: Wo war der Ursprung von COVID-19? Außerdem gibt es berechtigte Sorgen über die Abhängigkeit von privaten Geldgebern, darunter eben auch große Pharmakonzerne, deren Interessen nicht immer mit denen der Bevölkerung übereinstimmen. Diese Missstände zeigen, dass die WHO reformiert werden muss, um wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen – aber ein Austritt ist für mich keine Lösung.
Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile einer Mitgliedschaft klar die Nachteile. Anstatt uns aus der internationalen Gesundheitsgemeinschaft zurückzuziehen, sollten wir darauf drängen, dass die WHO transparenter und unabhängiger wird. Wir holen schließlich keinen Bürger ab, wenn man sich in Zeiten der Transparenz hinter Mauern einschließt und alles zur Verschlusssache macht. Die Lösung liegt daher nicht in Isolation, sondern in Einflussnahme und Reformen. Gerade in einer globalisierten Welt ist Zusammenarbeit der Schlüssel zu einer besseren Gesundheitsversorgung. Wir leben eben nun mal auf dem gleichen Planeten – für Deutschland und für die Welt.